Prof. Dr. Anette Buyken, Public Health Nutrition, Uni Paderborn

Prof. Dr. Anette Buyken, Public Health Nutrition, Uni Paderborn

Prof. Dr. Anette Buyken ist seit 2017 Professorin für Public Health Nutrition. Sie ist unter anderem Mitglied des Wissenschaftlichen Gremiums Nutri-Score und des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.

Mit welchen drei Worten würden Sie sich beschreiben?

Humorvoll, ungeduldig, empathisch

Wie gestaltet sich Ihr beruflicher Werdegang? Welches waren und sind wichtige Stationen in Ihrem Leben?

Oecotrophologie war für mich eine Notlösung. Ich wollte gern Chemie studieren hatte aber nach dem Abitur extrem Neurodermitis und konnte mir nicht vorstellen, den ganzen Tag im Labor zu stehen. So suchte ich nach einem Fach, das viel Chemie beinhaltete. Nach 3 Monaten war ich bei der Studienberatung, weil sich das Studium so falsch anfühlte. Man riet mir, geduldig zu sein (ich bin ungeduldig) und erst einmal weiterzumachen. Was sich als richtig herausstellte. Am Ende des Studiums ging ich nach Argentinien und interviewte dort Kinder mit Typ 1 Diabetes und deren gleichaltrige Freunde für meine Diplomarbeit.

 

Danach promovierte ich in Düsseldorf am Diabetes-Forschungsinstitut zur Bedeutung von Kohlenhydraten in der Stoffwechselkontrolle von Menschen mit Typ 1 Diabetes. In dieser Zeit konnte ich schon sehr viele internationale Kontakte knüpfen und entdeckte, wie interessant es ist, sich in einer internationalen „community“ auszutauschen. Dies war auch die Phase in der ich für mich die Balance zwischen Familie und Beruf austarieren musste, ich habe kurz vor der Geburt meines zweiten Sohnes meine Dissertation verteidigt.

© Bezim Mazhiqi

Nach einer kurzen Phase an der Universität in Münster, in der ich mich der Kommunikation von wissenschaftlichen Erkenntnissen widmete, ging es an das Forschungsinstitut für Kinderernährung nach Dortmund. Dessen Kernprojekt, die DONALD Studie wurde später an die Universität Bonn übergeleitet und aus mir wurde eine Mitarbeiterin der Universität Bonn. In dieser Zeit konnte ich sehr viele Kenntnisse erwerben und mit einander verknüpfen: Ich erlernte statistische Datenanalyse mit komplexen Modellen, vertiefte mich in Fragestellungen zur Bedeutung der Ernährung für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen und lernte, wie man Herausforderungen bei der Erhebung von Daten zur Ernährung, Stoffwechsel und Gesundheit meistert. Auch meiner Leidenschaft für das Thema Kohlenhydratqualität und deren Bedeutung für die Gesundheit des Menschen konnte ich in zahlreichen Forschungsprojekten nachgehen und in verschiedenen VDOE-Seminaren weitergeben. Der wissenschaftliche Diskurs zum glykämischen Index resultierte schließlich in einem 9-monatigen Post-Doc Aufenthalt mit der ganzen Familie an der University of Sydney. Die Ergebnisse dieser Forschungstätigkeiten fasste ich im Anschluss in meiner Habilitationsschrift zusammen.

 

Seit 2017 bin ich Professorin für Public Health Nutrition an der Universität Paderborn und federführend für den Lehramts-Studiengang „Ernährungslehre“ verantwortlich. Hier habe ich mich zunächst in die besonderen Herausforderungen der Lehramtsausbildung eingearbeitet. In den letzten Jahren erarbeitete ich mir eine eigene Sicht auf das Forschungsfeld „Public Health Nutrition“. Bei der Entwicklung eines eigenen Zugangs hat es mir geholfen, mich den neuen Themen von der Public Health Relevanz von Kohlenhydraten aus zu nähern.

Wussten Sie schon immer, dass Sie das machen wollten, was sie heute machen?

Nein. Zunächst wollte ich in die Entwicklungszusammenarbeit gehen. Promoviert habe ich eigentlich nur, weil mir diese Möglichkeit nach einem Praktikum am Diabetes Forschungsinstitut (heute Deutsches Diabetes Zentrum) angeboten wurde. Auch danach wollte ich lange Zeit in der „2. Reihe“ bleiben. Ich hatte lange Sorge, dass meine Familie zu sehr unter meinem beruflichen Engagement leiden würde. Mein Wunsch, stärker gestalten zu können, hat sich erst im Laufe der Zeit herausgebildet. Daran haben auch meine Mentor*innen einen Anteil, die mich immer wieder darin bestärkt haben. Daher wurde ich erst kurz vor meinem 50. Lebensjahr Professorin.

Was mögen/schätzen Sie in Ihrem Beruf am meisten?

Ich habe große Freude daran, junge Menschen bei ihrer Ausbildung zu begleiten. Zu sehen, wie sie ihre Fähigkeiten nach und nach entdecken und sie darin zu unterstützen, ihren Weg zu finden, finde ich sehr erfüllend.

 

Im Rahmen meiner Forschungsprojekte konnte ich immer wieder international mit Kolleg*innen zusammenarbeiten und auch kürzere Forschungsaufenthalte in anderen Ländern wahrnehmen. Das hat meinen Horizont erweitert, mir viele gute andere Lebens- und Arbeitszugänge vor Augen geführt und meine Wertschätzung für mein eigenes Arbeitsumfeld gestärkt.

 

In den letzten Jahren hatte ich auch immer mehr Gelegenheit in der Politikberatung mitzuwirken. Dies schätze ich als äußerst sinnstiftend.

Was würden Sie Studierenden Ihres Fachbereichs gerne als Tipp mit auf den Weg geben?

Einerseits: Wenn Sie eine Einschätzung Anderer bei wichtigen Entscheidungen oder neuen Schritten benötigen, zögern Sie nicht, gezielt auf mögliche Mentor*innen zuzugehen und um Rat zu bitten. Andererseits: Vieles von dem, worauf ich heute aufbaue habe ich gegen den Rat von Vorgesetzten gemacht und ich profitiere bis heute von den Ergebnissen meiner Entscheidung. Wenn Sie wirklich für ein Thema brennen, dann folgen Sie Ihrem Instinkt.

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