Klare Kante für hohe Mindeststandards – als Verbraucherschützerin in der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission

Klare Kante für hohe Mindeststandards – als Verbraucherschützerin in der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission
© pexels, fauxels

Wie viel Fleisch gehört in den Fleischsalat? Und soll auf erhitzten Speiseölen der Hinweis „raffiniert“ stehen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission. Und ich mich als Mitglied: Ich bin Diplom-Oecotrophologin und neben meiner Arbeit als Projektkoordinatorin beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ehrenamtliches Mitglied der Kommission. 

Was macht die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission?

In ihr werden derzeit 23 Leitsätze über Lebensmittel neu verfasst oder auch nur an verschiedenen Stellen aktualisiert. Es gibt Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse, Brot und Kleingebäck, Erfrischungsgetränke (Limonaden und ähnliche) sowie vegane und vegetarische „Ersatzprodukte“ und vieles mehr. [1] 

 

Die Leitsätze sind ein untergesetzliches Regelwerk, das die Beschaffenheit der Produkte im Supermarkt und deren übliche Bezeichnung beschreibt. Das ist wichtig, damit „Kraut und Rüben“ bei einigen Produktgruppen im Supermarkt minimiert wird: Der eine Fleischsalat hat zehn Prozent Fleischgrundlage, der nächste 50 und beide nennen sich „Fleischsalat“, sind ähnlich verpackt und etikettiert? Das soll nicht sein!

Leitsätze nützen Verbraucher*innen

Ohne entsprechende Gesetze und eben Vorgaben in den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuchs würden Produkte, die sich gleich nennen, sehr unterschiedlich zusammengesetzt sein. Verbraucher*innen müssten am Supermarktregal einen mühevollen Zutatenvergleich starten, um festzustellen, ob das Preis-Leistungsverhältnis aus ihrer Sicht stimmt. Unterschiede in den Zutatenanteilen gibt es nach wie vor, aber die Leitsätze vereinheitlichen mit ihren Vorgaben feststehende Produktgruppen etwas. Dass es Leitsätze gibt, nützt Verbraucher*innen.

Wie ist die Kommission besetzt?

Die Leitsätze nutzen aber auch der Wirtschaft, denn auf diese Weise werden schwarze Schafe, die ein Produkt mit sehr wenig wertgebenden Zutaten für viel Geld verkaufen wollen, etwas ausgebremst. Und sie nützen der amtlichen Lebensmittelüberwachung. Denn diese zieht die Leitsätze und weitere Gesetze heran, um Produkte im Handel gegebenenfalls zu beanstanden. 

 

Alle Fachausschüsse der Kommission sind mit Vertreter*innen dieser drei Gruppen besetzt. Außerdem wirft die Wissenschaft (vor allem zum Lebensmittelrecht) ihre Meinung mit in den Ring. Jeder Fachausschuss, ob für Fleisch, Fisch, Feinkostsalate oder Speiseeis, ist paritätisch mit jeweils zwei oder drei Vertreter*innen dieser vier Gruppen besetzt. Alle Mitglieder werden für die Dauer von fünf Jahren berufen. Anschließend wird die Kommission neu zusammengesetzt, einige Mitglieder können die Zeit nicht mehr erübrigen, andere wiederum schließen eine weitere Berufungsperiode an.

So arbeitet die Kommission

Und so geht die inhaltliche Arbeit vor sich: Die Kommission bekommt Hinweise aus Fachkreisen, es werden Anträge an die Kommission gestellt oder der feste Turnus führt dazu, dass ein Leitsatz überarbeitet werden soll. Die Leitsätze sollen immer aktuell für eine bestimmte Produktgruppe beschreiben, welche Beschaffenheiten und Bezeichnungen marktüblich sind. In der Regel bedeutet das, dass die Ausschussmitglieder zunächst außerhalb der Sitzungszeit in die Supermärkte ausschwärmen und eine umfassende Markterhebung anstellen. Am Beispiel Fleischsalat: Wie hat sich der Markt entwickelt? Welche Mindestgehalte an Fleischgrundlage sind typisch? 

Satz für Satz zum neuen Leitsatz

In mehreren Sitzungen wird dann der Leitsatz Satz für Satz aktualisiert. In den beratenden Sitzungen wirken Sachkundige, zum Beispiel von herstellenden Betrieben für die jeweilige Produktgruppe mit. Sie berichten, wie sie ihre Produkte aktuell herstellen. Die Verbraucherschützer*innen in der Kommission vermitteln den Standpunkt der Verbraucher*innen und bringen ihn in die Formulierungen ein. Den Standpunkt der Verbraucher*innen kennen sie aus ihrer täglichen Arbeit. Oder sie entnehmen ihn repräsentativen Studien zur Verbrauchererwartung, wie dem Ernährungsreport des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft [2] oder den Verbraucherstudien des Projekts Lebensmittelklarheit des vzbv [3].

Ein Konsens ist das Ziel

In der Kommission herrscht das Konsensprinzip. Alle beteiligten Kreise sollen gemeinsam eine gütliche Lösung finden. Denn natürlich sind zum Beispiel anbietende Wirtschaft und die Verbraucherschützer*innen nicht immer einer Meinung. Die Wirtschaft möchte sich zum Beispiel eine relativ große Freiheit für unterschiedliche Rezepturen erhalten. Die Verbraucherschützer*innen möchten, dass der Mindeststandard für wertgebende Zutaten möglichst hoch angesetzt wird: Verbraucher*innen sollen die bestmögliche Qualität bei gegebenem Preis erhalten. Die Kennzeichnung soll möglichst ausführlich sein.

Nach einem fertigen Leitsatz wartet der nächste

Über einen Entwurf stimmt dann das Plenum ab, das sich aus Mitgliedern des Präsidiums und den Mitgliedern aller Fachausschüsse zusammensetzt. Außerdem wird jeder Leitsatzentwurf vor der Abstimmung veröffentlicht, damit Lebensmittelverbände und -institutionen Bedenken äußern und Verbesserungsvorschläge einbringen können. Am Ende, oft nach ein- bis mehrjähriger ehrenamtlicher Arbeit im Ausschuss und im Plenum wird dann ein neu er- oder überarbeiteter Leitsatz im Bundesanzeiger veröffentlicht. Er ist für die anbietenden Unternehmen ab sofort bindend für die Herstellung und Etikettierung ihrer Produkte. Ausnahmen sind möglich, aber besonders zu kennzeichnen.  

 

Dann wenden sich die jeweiligen Fachausschüsse dem nächsten Leitsatz zu, nach demselben Prinzip. Für uns Verbraucherschützer*innen geht die Arbeit von vorne los – mit fundierten Argumenten, aber auch mal mit klarer Kante für einen bestmöglichen neuen Leitsatz. 

Literatur

 

[1] Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission, https://www.deutsche-lebensmittelbuch-kommission.de/ 

[2] Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, https://www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/ernaehrungsreport-ueberblick.html

[3] Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv), https://www.lebensmittelklarheit.de/eigene-studien

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Verfasser*in: Stephanie Wetzel

Die Diplom-Oecotrophologin ist seit 2014 Projektkoordinatorin Lebensmittelklarheit beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in Berlin.