Ökotro… – what the hell?! – beruflich als Ernährungswissenschaftler*in in Österreich tätig sein

Ökotro… – what the hell?! – beruflich als Ernährungswissenschaftler*in in Österreich tätig sein
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Wenn Sie aus Deutschland kommend als Ökotropholog*in in Österreich tätig werden wollen, könnten Sie als erstes über eine sprachliche Hürde stolpern: Der Begriff „Ökotrophologie“ ist in Österreich praktisch völlig unbekannt. Dementsprechend existieren nahezu keine Jobausschreibungen zu diesem Begriff.

 

Eine spontane Suche nach Jobs für „Ökotrophologie“ auf der Webpage des österreichischen Arbeitsmarktservices (kurz AMS, entspricht etwa der Bundesagentur für Arbeit in Deutschland) ergab 16 Stellenangebote.  Davon waren 12 für deutsche Standorte ausgeschrieben und die restlichen vier in Österreich in grenznahem Gebiet zu Deutschland angesiedelt.

 

Versucht man es mit dem Wort Ernährungswissenschafter*in, so kann man eher fündig werden. Betrachten wir die Begriffe als synonym und sehen wir uns die Lage in Österreich genauer an.

Ernährungsberatung für Kranke?

Im Gegensatz zu Deutschland, wo Ökotropholog*innen und Ernährungswissenschafter*innen mit entsprechender Aus- und Weiterbildung im Bereich der Ernährungsberatung von Kranken tätig werden können für Gesundheitskassen, ist dies in Österreich nicht möglich.

 

In Österreich ist es Diätolog*innen vorbehalten, ernährungstherapeutisch mit Menschen zu arbeiten, die krank sind oder bei denen ein Verdacht auf eine Erkrankung besteht. Geregelt ist dies im MTD-Gesetz (Gesetz für medizinisch-therapeutisch-diagnostische Gesundheitsberufe, MTDG, BGBl. I Nr. 100/2024).

Im MTDG sind die „gehobenen medizinisch-therapeutisch-diagnostischen Gesundheitsberufe“ im Bereich Humanmedizin aufgelistet, deren Ausübung einem Tätigkeitsvorbehalt unterliegt. Das bedeutet, dass die Berufe nur von Personen ausgeübt werden dürfen, die nach den Bestimmungen des Gesetzes dazu berechtigt sind. Unter diese „gehobenen medizinisch-therapeutisch-diagnostischen Gesundheitsberufe“ fallen neben biomedizinischen Analytiker*innen, Ergotherapeut*innen etc. etwa auch Diätolog*innen.

 

Gemäß §7 MTDG umfasst der Beruf der/des Diätolog*in die ernährungsmedizinische Behandlung und Beratung zur Erhaltung, Förderung, Verbesserung und Wiederherstellung des Gesundheitszustandes einschließlich Ernährungs- und Verpflegungsmanagement. Diese Arbeit erstreckt sich von Assessment und Diagnose bis zu Planung und Durchführung von Interventionen. Eine Tätigkeit im „kurativen, habilitativen, rehabilitativen und palliativen“ Bereich – also eine Arbeit mit Kranken – ist zulässig. Ernährungstherapeutische Arbeit mit Kranken ist in Österreich also von Gesetz wegen Diätolog*innen sowie Ärzt*innen vorbehalten. Selbstverständlich können Diätolog*innen auch im Präventionsbereich aktiv werden und tätig sein.

 

Doch zurück zu Ernährungswissenschafter*innen. Ohne spezielle diätologische oder ernährungsmedizinische Ausbildung ist es Ernährungswissenschafter*innen in Österreich nicht erlaubt, ernährungstherapeutisch mit Kranken zu arbeiten. Ernährungsberatung darf von Ernährungswissenschafter*innen in Österreich ausschließlich für gesunde (!) Menschen angeboten und durchgeführt werden.

Die zugrundeliegenden gesetzlichen Regelungen können also nicht von Einzelpersonen gekippt oder schlicht umgangen werden.

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Für Ernährungswissenschafter*innen (inklusive Ökotropholog*innen aus Deutschland), die dennoch im Bereich der Ernährungsberatung von Kranken und Diätetik tätig werden möchten, besteht die Möglichkeit, eine verkürzte Fortbildung an der Fachhochschule St.Pölten in Niederösterreich (circa eine halbe Stunde per Bahn von Wien entfernt) zu absolvieren.

 

Mit Abschluss des einjährigen Lehrgangs „Angewandte Ernährungstherapie“ auf Vollzeitbasis erlangt man die Berufsberechtigung als Diätolog*in und kann danach beruflich in der Ernährungstherapie tätig werden. Nach zwei Semestern (60 ECTS) beendet man das Studium als „Akademische*r Ernährungstherapeut“. Die Studienplätze sind allerdings begrenzt und es ist eine Bewerbung erforderlich, um zugelassen zu werden zum Studium. Pro Semester sind nach derzeitigem Stand rund 4.380,- Euro zu bezahlen, was sicherlich eine gewisse Hürde für Interessent*innen darstellt.

Der überschaubare Zeitrahmen der Ausbildung kann dennoch für den einen oder die andere attraktiv und passend sein.

Selbstständige Tätigkeit als Ernährungsberater*in

Um als Ernährungsberater*in mit Gesunden auf selbstständiger Basis arbeiten zu können, muss in Österreich ein Gewerbeschein gelöst werden. Der Abschluss des Studiums der Ernährungswissenschaften stellt einen (möglichen) Befähigungsnachweis dafür dar. Damit kann gemäß Gewerbeordnung der Gewerbeschein für „Lebens- und Sozialberatung“, eingeschränkt auf Ernährungsberatung erworben werden.

 

Personen, die weder Diätologie noch Ernährungswissenschaften studiert haben, können durch den Nachweis der „individuellen Befähigung“ ebenfalls zum Lösen eines entsprechenden Gewerbescheins zugelassen werden. Hierbei wird für den Einzelfall geprüft, ob die Inhalte einer Ausbildung ausreichende Relevanz haben und adäquates Wissen vermittelt worden ist, das die Einzelperson befähigt, Ernährungsberatung durchzuführen. In jedem Fall muss eine zur Ernährungsberatung berechtigte Person klar unterscheiden können zwischen Beratung von Gesunden und allfälligen Krankheitsbildern, deren Beratung und Behandlung Diätolog*innen und Ernährungsmediziner*innen vorbehalten bleibt. Nähere Informationen können über die Webpage des VEÖ abgerufen werden (siehe Links).

 

Im breiten Feld der Ernährungsberatung für Gesunde sind daher Personen unterschiedlichster Ausbildungsarten und -niveaus tätig. Hier reicht die Bandbreite (leider) überspitzt gesagt von einem Wochenendkurs, der mit einer Art Zertifikat abgeschlossen wird bis zu akademisch ausgebildeten Ernährungswissenschafter*innen. Man muss sich also bewusst sein, dass man es am mehr oder weniger freien Markt der Ernährungsberatung in Österreich mit unterschiedlichsten Mitbewerber*innen zu tun hat.

 

Nicht zuletzt aus diesem Grund ist der Verband der Ernährungswissenschaften Österreichs (VEÖ) seit Jahren bestrebt, für hochqualitative Angebote in dem Bereich zu werben und die hohe Qualifikation von akademisch ausgebildeten Ernährungswissenschafter*innen in Österreich hervorzustreichen sowie ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen.

Was nun? - Da gibt‘s doch noch so viel mehr!

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Das Studium der Ernährungswissenschaften existiert in Österreich erst seit etwa 1990 und kann bis dato ausschließlich an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien absolviert werden.

Neben einer starken naturwissenschaftlichen Basis erfolgen Vertiefungen in Modulen wie Qualitätsmanagement, Gemeinschaftsverpflegung, molekularer Ernährung oder Ernährungsökologie. So kann es hier zu Schwerpunktsetzungen kommen ähnlich wie bei Studien der Ökotrophologie in Deutschland.

Zurück zum Eingangsthema der Jobausschreibungen. Entsprechend der eigenen Ausbildungsschwerpunkte und Interessen kann man sich als Ökotropholog*in, der/die in Österreich tätig werden möchte, im Grunde auf die Suche nach Ausschreibungen unter dem Stichwort „Ernährungswissenschaften“ begeben.

 

Unter Umständen gibt es Erklärungsbedarf beim Begriff „Ökotrophologie“ in der eigenen Biographie. Im Zusammenhang mit dem Lebenslauf oder einem Bewerbungsschreiben kann dieser Begriff allenfalls erklärt werden. Man sollte sich auch nicht scheuen, nach Begriffen ähnlicher Berufsfelder (z. B. Biologie, Lebensmitteltechnologie, etc.) zu suchen, weil Ernährungswissenschafter*innen zwar viele Kompetenzen haben, das Berufsbild aber noch nicht so lange etabliert ist, wie etwa Lebensmitteltechnologie und daher seltener unter dieser Bezeichnung Ausschreibungen erfolgen.

 

Jobausschreibungen für Ernährungswissenschaften finden sich häufiger im Bereich der Gemeinschaftsverpflegung, im Qualitätsmanagement oder der Produktentwicklung in der Lebensmittelindustrie. Aufgrund zunehmender Anforderungen in der Lebensmittelbranche sind auch Personen in den Bereichen Lebensmittelrecht, Zertifizierungen von Produkten und dergleichen gefragt.

 

Tatsächlich sind Ernährungswissenschafter*innen heute in Österreich tätig als selbstständige Ernährungsberater*innen, aber auch in der Bio-Kontrolle, im Qualitätsmanagement, bei Hygiene-Audits, im Konsument*innenschutz, bei öffentlichen Einrichtungen im Vorsorgebereich (z. B. Projekte an Schulen und Kindergärten), im Außendienst von Gemeinschaftsverpflegern, im Marketing von Lebensmittelunternehmen, in der Produktentwicklung, bei IFS-Audits, in der Projektabwicklung im Lebensmittelhandel, in Forschungseinrichtungen etc.

 

Denkbar sind viele Arbeitsbereiche, die sich Ernährungswissenschafter*innen und auch Ökotropholog*innen erschließen können. An der Berufsbezeichnung soll‘s nicht scheitern!

Links und weiterführende Informationen:

VEÖ – Verband der Ernährungswissenschaften Österreichs, verschickt an seine Mitglieder*innen regelmäßig einschlägige Jobausschreibungen

www.veoe.org

 

Arbeitsmarktservice Österreich

Berufslexikon: https://www.berufslexikon.at

 

Fachhochschule St. Pölten (Österreich)

https://weiterbildung.fhstp.ac.at/lehrgaenge/angewandte-ernaehrungstherapie

 

Gesetz für medizinisch-therapeutisch-diagnostische Gesundheitsberufe, MTDG, BGBl. I Nr. 100/2024; zu finden unter:  https://www.ris.bka.gv.at

 

Allgemein findet man Jobausschreibungen über das Jobportal des Arbeitsmarktservice:

https://jobs.ams.at

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Verfasser*in: Barbara Gamperl

Barbara Gamperl ist Österreicherin und hat in Wien Ernährungswissenschaften mit Schwerpunkt Ernährungsökonomie sowie Lebensmittelproduktion und -technologie studiert. Aktuell ist sie im Bereich Produktentwicklung und Lebensmittelrecht in der lebensmittelproduzierenden Privatwirtschaft tätig. Nebenher engagiert sie sich im Verband der Ernährungswissenschaften Österreich.